Schliessen

Suche nach Halt und Orientierung

Der Russland-Ukraine-Krieg ändert die geopolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen grundlegend. So schätzt die Deka die Entwicklungen ein.

Canva

Die Handelsunterbrechungen und die gestiegenen Energiepreise aufgrund der Wirtschaftssanktionen werden die Konjunkturerholung bremsen. Die Inflationsraten werden wegen der höheren Energiepreise kurzzeitig weiter ansteigen, bevor sie im späteren Jahresverlauf wieder sinken sollten. Bis dato reagieren die Risikomärkte auf die neuen Nachrichten zwar mit Kursverlusten, indes ohne Panik. Sollte der Krieg räumlich begrenzt bleiben, dann können sie – trotz der vielfältigen Belastungen – weiterhin auf eine robuste Weltwirtschaft vertrauen.

Das wirtschaftliche Risikoszenario liegt allerdings in einer weiteren und länger andauernden Eskalation mit nochmals schärferen Sanktionen zwischen dem Westen und Russland. Insbesondere ein abruptes Aussetzen von Rohstofflieferungen (Erdgas, Rohöl und Industriemetalle) könnte in Westeuropa eine kurzzeitige Rezession auslösen. Dies dürfte für die Kapitalmärkte eine nochmals verstärkte Flucht in die Sicherheit bedeuten: u.a. weitere Kursrückgänge an den Aktienmärkten, sinkende Bund-Renditen, steigender Goldpreis.

Zugleich rücken mittel- und langfristige Unwägbarkeiten in den Fokus, die aus den substanziell veränderten Rahmenbedingungen resultieren. Denn sofern es zu keinem Regimewechsel in Russland kommt, werden die Sanktionen wohl für lange Zeit erhalten bleiben. Wie gelingt es Europa, die Energieversorgung künftig ohne russisches Gas sicherzustellen? Wohl mit höheren Kosten. Wie gelingt es den Unternehmen, mit dem zweiten ökonomischen Angebotsschock nach der Corona-Pandemie umzugehen und die Lieferketten zu sichern? Wohl mit mehr regionaler Produktion und höherer Lagerhaltung. Wie kann nationale Sicherheit künftig gewährleistet werden? Wohl mit spürbar höheren Verteidigungsausgaben.

Die Geldpolitik gerät in das Dilemma, noch höheren Inflationsraten eigentlich mit Leitzinsanhebungen entgegentreten zu müssen, wodurch jedoch die angeschlagene Konjunktur noch weiter geschwächt würde. Angesichts der großen Unsicherheit und der Risiken dürften die Notenbanken die Konjunktursorgen höher gewichten und ihre Zinswende moderater gestalten. Auch ihre Toleranz hinsichtlich höherer Staatsausgaben dürfte zunächst etwas größer sein als in Friedenszeiten. Für die Anleger bedeutet dies zuallererst, bei ihrer Suche nach Halt und Orientierung Ruhe zu bewahren. In diesen aufwühlenden Zeiten ist Panik ein schlechter Ratgeber.

Deutsche Konjunktur wird erneut unter Lieferkettenproblemen leiden

  • Noch ist von dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine in den Konjunkturindikatoren nichts zu spüren. So stiegen die Indikatoren in den letzten vier Wochen mehrheitlich an. Die Stimmung der Unternehmen verbesserte sich merklich.
  • Einzig die Indikatoren zu den Lieferketten zeigten nach der Besserung im Vormonat wieder eine deutliche Verschlechterung. Dieses Problem ist nach wie vor ungelöst, und wir schlittern aus einer schwierigen Ausgangslage in das Sanktionsregime gegen Russland, das die Lieferketten zusätzlich stressen wird.

Gold als sicherer Anlagehafen gesucht

  • Es ist verständlich und keineswegs überraschend, dass Gold in Zeiten von militärischen Auseinandersetzungen und Krieg verstärkt gesucht wird. Darin spiegelt sich die klassische Funktion von Gold als sicherer Anlagehafen wider.
  • Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung im Russland-Ukraine-Krieg ist groß. Dies dürfte zunächst den Goldpreis weiter nach oben treiben. Der Bruch zwischen Russland und dem Westen wird wohl bestehen bleiben. Daher dürfte der Goldpreis auch mittelfristig von einer etwas höheren Risikoprämie profitieren.

EZB vor geldpolitischem Spagat

  • Der Kriegsausbruch in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland dürften die Inflation kurzfristig weiter ansteigen lassen, zugleich aber auch die wirtschaftliche Erholung bremsen. Der geldpolitische Spagat der Europäischen Zentralbank wird dadurch noch schwieriger.
  • So dürfte die EZB an ihrer grundsätzlichen Absicht festhalten, den monetären Stimulus schrittweise zu reduzieren, den Zeitplan hierfür aber von den weit ren Geschehnissen abhängig machen. Noch stärker als bisher dürfte die EZB ihre Bereitschaft unterstreichen, Störungen der geldpolitischen Transmission entgegenzuwirken.

Flucht in Qualität lässt Bundrenditen fallen

  • Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben die Marktteilnehmer ihre Erwartungen über eine bevorstehende Straffung der Geldpolitik reduziert, was die Renditen vor allem kurzlaufender Bundesanleihen deutlich verringert hat. Zudem führt die erhöhte Unsicherheit zu einer Flucht in Qualität, sodass die Renditen auch langlaufender Bundesanleihen trotz gestiegener Inflationserwartungen zu- rückgegangen sind. UnseresErachtenssolltendieRenditeninden kommenden Monaten wieder etwas ansteigen, sofern die EZB ihre Absicht einer schrittweisen Normalisierung ihrer Geldpolitik nicht vollständig auf Eis legt.

Deutscher Aktienindex mit deutlichem Rückgang

  • Der Russland-Ukraine-Krieg ließ den DAX einbrechen. Gleichzeitig gilt es in einer solchen Situation, die fundamentalen Ankerpunkte nicht aus den Augen zu verlieren. Der DAX war vor der Krise nicht teuer bewertet und ist mit der angestiegenen Risikoprämie noch günstiger geworden.
  • Die globalen Wachstumsperspektiven sind etwas schwächer und unsicherer geworden, aber ausreichend stabil, um einen moderaten Anstieg in den Unternehmensgewinnen zu gewährleisten. Dies schützt angesichts der dynamischen geopolitischen Situation zwar nicht vor kurzfristig hohen Kursausschlägen, begrenzt aber das Abwärtsrisiko.

Schreibe einen Kommentar

0 Kommentare
scroll to top